IIHF WM 2024 -Österreich holt gegen Weltmeister Kanada sensationell einen Punkt / 5 Tore im letzten Drittel
Was war das für ein denkwürdiger Eishockey-Abend! Österreich Herreneishockey Nationalteam verlor am Dienstag in Prag bei der 2024 IIHF Ice Hockey World Championship vor 14.704 Fans gegen Titelverteidiger Kanada zwar mit 6:7 nach Verlängerung, holte mit einem famosen Schlussdrittel jedoch einen Punkt gegen den Weltmeister.
Nach einem 1:6 nach 40 Minuten startete Rot-Weiß-Rot im Schlussabschnitt eine sensationelle Aufholjagd und erzielte fünf Treffer in Folge. Die Tore der ÖEHV-Auswahl erzielten Benjamin Nissner (11.), Benjamin Baumgartner (44.), Peter Schneider (45., 56.), Dominic Zwerger (51.) und Marco Rossi (60.) Nach einem Tag Pause geht’s am Donnerstag, 16. Mai ab 16:20 Uhr gegen WM-Mitfavorit Finnland weiter. Das Match ist live auf ORF SPORT + zu sehen
Österreichs Head Coach Roger Bader vertraute gegen Titelverteidiger Kanada auf die Dienste von Goalie David Madlener, David Kickert stand als Backup im Line Up. In den ersten Minuten stand Rot-Weiß-Rot defensiv gut und versuchte mit den Ahornblättern mitzulaufen. In der ersten echten Drangphase kam Dylan Cozens im Slot an die Scheibe, der Stürmer ließ Madlener beim 1:0 für den amtierenden Weltmeister keine Chance (7.).
Das Team von Head Coach André Tourigny agierte überlegen und lancierte immer wieder schnelle Angriffe. Die Folge war das 2:0 durch Kaiden Guhle (10.). Österreich fand die schnelle Antwort nur 50 Sekunden später und erzielte den Anschlusstreffer mit der ersten echten Torchance: Nach einem energischen Vorstoß von Mario Huber machte Benjamin Nissner aus kurzer Distanz das 1:2 (11.). Knapp drei Minuten später erzielte Bowen Byram das 3:1. Sein Schuss, der danebengegangen wäre, wurde von Paul Hubers Hüfte unhaltbar für Madlener abgefälscht (14.).
Auch im zweiten Abschnitt spielte Kanada überlegen, Jared McCann umkurvte Goalie David Madlener und kehrte zum 4:1 ein (23.). Die ÖEHV-Auswahl konnte nur vereinzelt Entlastungs-Angriffe starten, zwingende Torchancen gab es nicht. Peter Schneider prüfte Keeper Jordan Binnington mit einem guten Schuss. Knapp vor Halbzeit der Partie überraschte Connor Bedard Goalie Madlener aus spitzem Winkel und traf zum 5:1 (30.). Die besten Chancen vergaben Dominic Zwerger, der den Puck nach einem scharfen Querpass von Peter Schneider aus kurzer Distanz an die Außenstange setzte und Marco Rossi nach einer schönen Kombination. Dazwischen hatte Österreich Glück bei einem Cozens-Querlattenschuss. Dann reagierte Pierre-Luc Dubois nach einem Gestocher am schnellsten und erhöhte auf 6:1 (38.).
Fünf Treffer in Folge im letzten Abschnitt für Österreich
Im Schlussabschnitt erwischte Österreich den besseren Start mit einem Doppelschlag binnen 54 Sekunden: Nach einem nicht genützten Überzahlspiel schnappte sich Peter Schneider auf der linken Seite den Puck, fuhr einen schnellen Konter und passte perfekt auf Benjamin Baumgartner, der herrlich zum 2:6 einnetzte (44.). Mit der nächsten Traumaktion verkürzte die ÖEHV-Auswahl sogar auf 3:6, Peter Schneider bezwang Jordan Binnington mit einem scharfen Schuss aus spitzem Winkel (45.). Dann hatte Paul Huber sogar die Chance auf den vierten Treffer, scheiterte jedoch aus kurzer Distanz. Die Österreicher waren nun so richtig on fire. Dominic Zwerger sendete nach einem Antritt über links zum 4:6 ein (51.).
Die Fans in der Prag Arena feierten das Team mit Standing Ovations. Österreich hatte noch nicht genug: Peter Schneider ließ Keeper Binnington aussteigen und erzielte den Anschlusstreffer zum 5:6 (56.). Nun kochte die Arena. Am Ende war Keeper David Madlener schon draußen, Marco Rossi schnappte sich die Scheibe und hob den Puck 49 Sekunden vor dem Ende zum 6:6-Ausgleich in die Maschen (60.). Die Österreicher hatten das letzte Drittel mit 5:0 gewonnen und erzwangen eine Overtime, in der John Tavares nach nur 15 Sekunden zum 7:6-Sieg traf (61.). Österreich holte wie schon 2004 in Prag beim damaligen 2:2 einen Punkt gegen Kanada, zum Best Player wurde Dominic Zwerger gewählt.
Head Coach Roger Bader war nach der sensationellen Aufholjagd und dem unerwarteten Punktegewinn mit seinem Team hochzufrieden: “Also ich bin jetzt seit 30 Jahren professioneller Head Coach und habe in diesen 30 Jahren schon manche verrückte Spiele erlebt, im letzten Drittel fünf Tore gegen den Weltmeister zu schießen und aufzuholen, das ist schon ganz weit oben in meinem Ranking.
Ich habe nach zwei Drittel nicht mehr an eine Aufholjagd geglaubt, ich habe zu meinen Spielern gesagt, weil ich nicht wollte, dass das Spiel mit einem 1:9 oder ähnlich ausgeht, sie sollen das letzte Drittel genießen, denn es ist nicht selbstverständlich, gegen den Weltmeister zu spielen vor über 10.000 – ich wusste da noch nicht, dass es über 14.000 sind – zeigen, dass wir gut Eishockey spielen können und ein gutes Drittel machen, egal ob wir ein Tor bekommen oder eins schießen. Ich habe mit diesem Satz ein wenig die Fesseln gelöst. Dass sie es dann so umsetzen, habe ich natürlich nicht gewusst!”
Bader erklärte das fulminante Schlussdrittel: “Im Sport ist das dann manchmal so, dass es wie eine Lawine kommt. Wir hatten ein, zwei gute Saves vom Torhüter, dann haben wir im eigenen Drittel aufsässiger verteidigt und konnten schneller umschalten. Dann haben wir schnell das 2:6 geschossen, das hat schon sehr geholfen, das war schön herausgespielt vom Peter Schneider auf den Benjamin Baumgartner. Spätens ab dem vierten Tor haben wir Coaches schon überlegt, den Tormann rauszunehmen. Dann ergab das Eine das Andere. Dass 14.000 in der Halle für den Außenseiter waren, das war schon ein irrsinniges Erlebnis für alle Beteiligten!”
Dominic Zwerger, Torschütze zum 4:6 und Best Player bei Österreich konnte das letzte Drittel kaum fassen: “Wahnsinn, ich glaube, nach dem zweiten Drittel, nach dem 1:6 hat kein Mensch auf dieser Welt mehr an uns geglaubt. Nicht einmal unsere eigenen Familien, glaube ich. Wir haben es der ganzen Welt gezeigt, was alles möglich ist, das waren unglaubliche Emotionen. Ich habe die Scheibe bekommen, habe gemerkt, dass ich alleine bin, hab mir gedacht, jetzt fass ich mir ein Herz, zum Glück ist die Scheibe reingegangen. Das hat uns noch mehr Momentum gegeben. Am Schluss das 6:6, mit dem Unentschieden in die Verlängerung gegen diese Mannschaft nach einem 1:6, das ist noch nie passiert, das ist IIHF-History!”
Doppeltorschütze Peter Schneider war nach diesem letzten Drittel auch euphorisch, mahnte aber auch, am Boden zu bleiben: “Das war ein unglaubliches Erlebnis, das Spiel noch so zu drehen. Super, dass wir den Punkt mitnehmen. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch schauen, dass wir am Boden bleiben. Wir haben unser Ziel noch nicht erreicht, wir müssen die guten Sachen aus dem Spiel mitnehmen, uns die schlechten Sachen anschauen und uns noch steigern im Laufe des Turniers. Gegen Kanada so eine Partie im letzten Drittel bei einer Weltmeisterschaft – es war keine Freundschaftspartie – so auszugleichen, das ist einfach ein unglaubliches Erlebnis. Die Atmosphäre in der Halle war Wahnsinn, alle Fans außer den Kanadischen sind hinter uns gestanden, weil sie zum Underdog gehalten haben, das war richtig geil!”
Am Donnerstag wartet WM-Mitfavorit Finnland
Bericht von: PM Österreich | Foto: IIHF