,,Die Besten Ice Tigers seit ´99″

20.April 2025DEL

Kleines Budget, neue Imports, junge Spieler, Trainerneuling, keine Stars, schmerzhafte Abgänge und eine einheitliche Experteneinschätzung.

All das hatte man vor der PENNY DEL Saison 2024/25 gehört, wenn man über die Lage des fränkischen Clubs, die Nürnberg Ice Tigers, geplauscht hatte.

Doch fangen wir mal mit dem Ende der letzten Saison an:
Gerade waren die Ice Tigers mit dem 3:6 zu Hause gegen die Adler aus Mannheim ausgeschieden (2:0 Serienstand Pre-Playoffs), da wurde klar: In Nürnberg soll gezwungenermaßen wieder neu sortiert werden.

Mit Tim Fleischer, Elis Hede und Danjo Leonhardt verließen gleich drei deutsche Top-Talente das Gründungsmitglied und wollten in Straubing ihr Glück versuchen. Dass Straubing am Ende der Hauptrunde dann letztendlich nur drei Punkte vor den Ice Tigers in der Tabelle lag, hatten sich die Youngster wahrscheinlich anders vorgestellt. Der vor der Saison stark begehrte Ludwig Byström (14 Punkte aus 51 Spielen) verließ den Verein ebenfalls, nur um sich ein paar Monate später dem Vizemeister aus Bremerhaven anzuschließen.

Weitere Abgänge waren dann noch Ian Scheid (Linz), Max Kislinger (Weißwasser), Jack Dougherty (Wien), Dane Fox (Dresden), Phillip Mass (Ravensburg) und auch Top-Scorer Daniel Schmölz. Letzterer erzielte 164 Punkte in 206 Spielen mit dem von Alex Fuchs designten Tiger auf der Brust und galt als der schmerzhafteste Abgang in den Reihen der Lebkuchenstädter. Den Tiger hatte er für den Panther ausgetauscht und macht nun in Ingolstadt den Torraum unsicher (34 Punkte in 55 Spielen).

Auch hinter der Bande musste man sich verabschieden – Tom Rowe kaut fortan seine Kaugummis hinter den Spielern der Löwen Frankfurt, kam jedoch (wie schon in Nürnberg) nicht über die erste Playoff-Runde hinaus.

 

Nach Abschied kommt Willkommen 

Acht neue Gesichter kamen zum Vorbereitungsbeginn der Ice Tigers in die Kabine. Josef „Seppi“ Eham, Thomas Heigl, Samuel Dove-McFalls, Eugen Alanov, Cody Haiskanen, Will Graber, Jeremy McKenna und Owen Headrick stießen hinzu. Und natürlich hatte sich Stefan Ustorf bei all diesen Namen etwas gedacht. In Deutschland hatten diese Namen wohl nur die Wenigsten (wohl eher keiner) auf dem Zettel, und nun will sie fast jeder unter Vertrag nehmen.

Unglaublich stark empfand man die beiden Kanadier Headrick und McKenna. Der Mann mit der großen Zahnlücke, Owen Headrick, hatte zu Beginn noch kleine Startprobleme, konnte diese aber recht zügig vergessen machen und entwickelte sich so zu einem der besten Offensiv-Verteidiger der Liga (47 Punkte). Auch im Powerplay punktete er fleißig als Quarterback an der blauen Linie. Die Vorlagen durfte dann in vielen Fällen Jeremy McKenna (28 Tore) verwerten. Den Stürmer, den es nun in die bayerische Landeshauptstadt zum EHC Red Bull München zieht, hatte „Hooligan“ (in Fankreisen bekannt) wohl als Schmölz-Ersatz verpflichtet, um weiterhin für Torgefahr zu sorgen. Was soll man sagen? Es ist dem wenig lächelnden, aber sympathischen Sportdirektor gelungen, mal wieder eine schlagfertige Truppe auf das Eis zu zaubern.

Es muss aber auch immer jemanden geben, der die Tiger zähmt und zurückzieht, wenn es einmal zu viel Harakiri wird. Diesen Job übernahm Mitch O’Keefe, der nach einer überzeugenden Spielzeit bei den Innsbrucker Haien auf den Radar Ustorfs geriet und vom Aquarium an Land gezogen wurde. Verlassen konnte er sich stets auf seinen Co-Trainer Jochen Hecht. Der „Mannheimer Bub“ konnte die Defensive der Franken über die Saison hinweg stabilisieren und zusammen mit O’Keefe auf eine mehr als erfolgreiche erste Saison zurückblicken.

Die Experten wurden vor der Saison zu den größten Kritikern der Nürnberger und ordneten (zumindest die meisten) das Team als Abstiegskandidaten Nummer eins ein. Dass die Ice Tigers dem am Ende nicht gerecht wurden, mussten als Erstes die Schwäne aus dem Schwarzwald verspüren. Nach dem Serien-Sieg (2:1) gegen die Schwenninger Wild Wings antwortete der neue Cheftrainer auf die Frage: „Wollen Sie es den Experten beweisen, dass sie alle falsch liegen?“ mit einem schmunzelnden „That’s what I’m doing.“

Die finanzielle Frage ist natürlich auch ein gängiges Gesprächsthema nach dem bereits verjährten Ausstieg von Schmuck-Sommelier Thomas Sabo. Wolfgang Gastner hat jedoch abermals eine positive Rückmeldung um neue Geldgeber und Partner. Immer wieder muss der bärtige Franke betonen, dass man wohl den kleinsten Geldbeutel unter den 14 Mannschaften habe, indes aber immer wieder unfassbares Eishockey abliefert.​

 

Wilde Fahrt

Die Ice Tigers zeigten also wie versprochen kämpferische Klasse und – egal gegen welchen Gegner – vor allem Spielwitz. Widergespiegelt hat sich beides im Rekord, den die junge Mannschaft in diesem Jahr aufgestellt hatte: 22 Overtimes insgesamt und sogar achtmal Nachschlag in Folge. Die Franken sind längst keine Mannschaft mehr, die zum unteren Tabellenviertel gezählt werden kann. Das tiefgehende und kluge Scouting Ustorfs, gepaart mit dem Zusammenhalt von Trainer und Mannschaft, wirkt beinahe wie eine langjährig eingespielte Einheit.

Unglaubliche Spiele lieferte man sich beispielsweise mit Köln, Bremerhaven, Augsburg oder auch dem ERC Ingolstadt – nur um eine kleine Auswahl zu präsentieren. Comebacks, Nachschlag-Krimis, Souveränität und vielleicht auch jugendlicher Leichtsinn verhalfen der Truppe aus der Stadt mit der Burg zu einer auf Strecke sehr konstanten Saison. Klar hatte man auch Partien, in denen nicht alles funktionieren mochte – vielleicht aber auch nicht musste.

Die „EHC-ler“ gaben sich, zumindest zu einem Großteil der Begegnungen, die Gelegenheit, in 60 Minuten ein Spiel zu den eigenen Gunsten zu entscheiden.

Ein zufriedenstellender Platz acht wurde es am Ende. Ausrechenbar vor der Saison? Niemals! Wenn man optimistisch auf die „Nürnberger Jungs“ blickte vor den beiden Kalenderjahren 2024/25, sah man diese lediglich auf Platz zehn bis elf – um es vorsichtig auszudrücken.

Das Fanlager der Ice Tigers muss zwar dem Viertelfinal-Ausscheiden gegen den Ligaprimus aus Ingolstadt hinterhertrauern, kann sich aber auf eine vielversprechende kommende Saison freuen. Auch wenn man die weiteren Abgänge von Leon Hungerecker (Bremerhaven), Lukas Ribarik, Hayden Shaw und  Ryan Stoa (Karriereende) verkraften muss, gab es bereits einige Verlängerungen, die Freude bereiteten.

 

Was nun?

Mit Julius Karrer, Constantin Braun, Cole Maier, Owen Headrick und der Überraschung schlechthin, Evan Barratt, konnte Stefan Ustorf erfolgreich eine Einigung über neue Arbeitspapiere erzielen. Den Kern des Clubs konnte man also weitestgehend behalten und auf diesem aufbauen – für eine erfolgreiche Zukunft.

Aus der NCAA (College-Liga USA) hat man bereits den talentierten Timo Bakos verpflichtet. Und um gleich bei Youngstern zu bleiben: Auch Jakob Weber vom EHC Red Bull München wird seine Karriere im Frankenland fortsetzen und die Gegner so gut es geht vom Tor von Niklas Treutle und – ja, vor wem eigentlich noch? Noch ist das nicht bekannt, aber man müsste auf Stefan Ustorf vertrauen können als Ice-Tigers-Fan, dass eine mindestens genauso gute Alternative für Leon Hungerecker das Nürnberger Trikot in der nächsten Saison tragen wird.

Mit welchem Hauptsponsor es weitergeht, wird sich in den kommenden Wochen/Monaten entscheiden, nachdem sich der Technologie-Marktführer NCP aus dem Engagement zurückzieht. Wenn man den Gerüchten folgt, fällt immer wieder der Name Siemens Energy. Die Ice Tigers waren – wenn vielleicht auch nur zufällig – im Verlauf der Hauptrunde im Werk von Siemens Energy in Nürnberg zu Gast.

 

Was zu sagen bleibt
Die Nürnberg Ice Tigers haben alle Erwartungen mit der Viertelfinal-Teilnahme übertroffen und können mit einem ziemlich unveränderten Team in die Vorbereitung zur kommenden Spielzeit starten und einen neuen Anlauf wagen.

Diese Eiskatzen sind nicht zu unterschätzen – und um gleich eine Experteneinschätzung abzugeben: kein Abstiegskandidat, wenn es im September endlich wieder heißt: „Let’s get ready to rumble.“

Bericht von: Luca Schindler | Foto: Birgit Eiblmaier

Eishockey-Online Network

Medidaten | Kontakt | Impressum | copyright 2008-2024 eishockey-online