Bedenkliche Nachwuchssorgen wegen Zunahme geschlossener Eishallen – Teil II: Interviews und Statements

25.Oktober 2023DEL

Die Redaktion eishockey-online.com setzt seine Berichterstattung zum brisanten Thema „Hallenschließungen in Deutschland“ fort mit ein paar interessanten Statements und Antworten zu geführten Interviews.

Aktuell findet man auf den Webseiten des Deutschen Eishockey-Bundes e.V. (DEB) zu diesem brisanten Thema zielführende Statements vom DEB-Präsidenten Dr. Peter Merten im Rahmen eines Interviews mit Teamsport Deutschland, die Interessengemeinschaft der fünf größten deutschen (Profi)Mannschaftssportverbände.

Dabei stellte Hr. Dr. Mertens u.a. heraus:

[…] „In der aktuellen energiepolitischen Situation fühlt sich das Eishockey bei den Sportstätten insbesondere angesprochen, das ist klar. Genauso klar ist auch, dass wir in Deutschland bei der Sportstätteninfrastruktur ein Defizit haben. Wir wissen, dass unsere gut 200 Eishallen im überwiegenden Teil nicht mehr neueren Datums und insofern auch energetisch nicht optimal ausgelegt sind. Grundsätzlich bin ich der festen Überzeugung, dass wir im Eishockeysport Energiebedarfe und unseren CO2-Fußabdruck nachhaltig über renovierte oder neue Eishallen relativ schnell verbessern könnten. […] Da die deutschen Eishallen wie die meisten Sportstätten in Deutschland im Besitz der Kommunen sind, braucht es einen konsequenten Schulterschluss zwischen Sport und Politik insbesondere auf Bundes- und Landesebene. Dies gilt aber nicht nur für Eishallen. Letztendlich sind Investitionen in Sportstätten Investitionen in die Zukunft des Eishockeys in Deutschland. Diese ist dringend erforderlich, wenn wir die Erfolge, die wir im Moment einfahren auch in der Zukunft erleben wollen und auch den Nachwuchs nachhaltig für unsere Sportart begeistern möchten.“ […]

Interview mit Christoph Gottwald, Genossenschaftsverband, Verband der Regionen e.V., Beratung und Betreuung Genossenschaften Abteilungsleiter

Frage 1: Wieso ist das Konstrukt einer eingetragenen Genossenschaft hervorragend geeignet zur Sanierung von gefährdeten Eishallen? Bitte beschreiben Sie die Vorgehensweise!

Gottwald: „Der Vorteil der genossenschaftlichen Rechtsform liegt insbesondere darin, dass sich viele Interessierte in einfacher Form zusammenschließen können, um gemeinschaftlich die Eishalle zu betreiben. Im Gegensatz zu anderen Rechtsformen, in denen es wegen der Eintragung ins Register oder der erforderlichen Änderung des Gesellschaftsvertrages schwierig ist, viele unterschiedliche Stakeholder an einem Unternehmen zu beteiligen, wird man bei einer Genossenschaft Mitglied durch Beitrittserklärung und Zulassung durch den Vorstand und die Mitgliederliste wird von der eG selbst geführt, so dass keine weiteren aufwändigen bürokratischen Abstimmungen mit Notar oder Registergericht erforderlich sind.“

„Hinzu kommt, dass ich durch die Genossenschaft die Betroffenen zu Beteiligten mache. Dadurch, dass die Mitglieder gleichzeitig auch Eigentümer der Eishalle sind, fühlen Sie sich mehr in die Pflicht genommen, diese auch zu nutzen und auch pfleglich zu behandeln, als wenn sie nur als Gäste die Eishalle nutzen.“ 

„Dabei ist die Gründung einer Genossenschaft auch relativ einfach möglich: Man schließt sich mit mehreren Interessenten zusammen, entwirft einen Business Plan, in dem das Vorhaben, die Beteiligten, das Konzept zur Ansprache von Mitgliedern und das Betreiber-Konzept sowie die damit verbundenen Risiken erläutert werden, ergänzt diesen verbalen Teil durch einen Zahlteil, in dem die erwarteten Erträge und Aufwendungen der ersten fünf Geschäftsjahr dargestellt werden und entwirft darüber hinaus das rechtliche Konstrukt über die Satzung der Genossenschaft, für die es Mustersatzungen gibt, an denen man sich orientieren kann.“

„Wenn rechtliches Konzept und Business Plan stehen, kann die Gründungsversammlung abgehalten werden, in der die Satzung durch die Gründungsmitglieder unterschrieben wird, wobei kein Notar anwesend sein muss. „

„Üblicherweise begleiten wir als Genossenschaftsverband die Gründung von Beginn an und haben vor der Gründungsversammlung auch bereits die Satzung und den Business Plan geprüft, so dass in der Gründungsversammlung die Organe Vorstand und Aufsichtsrat gewählt werden können. Im Anschluss erstellen wir das sogenannte Gründungsgutachten, indem wir dazu Stellung nehmen müssen, ob durch diese Gründung die Interessen der Mitglieder oder Gläubiger gefährdet sind. Mit diesem Gutachten geht dann der neu gewählte Vorstand zum Notar und meldet die Genossenschaft zum Genossenschaftsregister an.“

„Abschließend sei jedoch darauf hingewiesen, dass alleine die Rechtsform der Genossenschaft keine Gewähr dafür bietet, dass eine Eishalle auch erfolgreich gerettet werden kann. Sicherlich macht die hohe Identifikation der Genossenschaft ein Gelingen eines solchen Vorhabens wahrscheinlicher, gleichwohl kommt es natürlich trotzdem auf die Kompetenz, die Erfahrung und das Engagement der beteiligten Personen an, ein überzeugendes Betreiberkonzept für die Eishalle zu entwickeln, damit die für den Betrieb erforderlichen finanziellen Mittel auch generiert werden können.“

Frage 2: Wie kann die erfolgreiche Sanierung der Eishalle in Hamm als ‚Role Model‘ für andere von der Schließung bedrohte Eisstadien dienen? Kann das Konzept 1:1 übertragen werden mit einer Genossenschaft Rechtsform?

Gottwald: „Die Gründung der Hammer Eis eG kann und sollte sicherlich als Vorbild für andere Eishallen-Gründungen stehen, da sie es seit mittlerweile über fünf Jahren erfolgreich geschafft hat, die Eishalle weiter zu betreiben und das auch in Zeiten steigender Energiekosten.“

„Gleichwohl muss man jede einzelne Eishalle separat betrachten und schauen, ob die Umfeldfaktoren dort genauso erfolgversprechend sind wie in Hamm, ob es ein überzeugendes Konzept zum Weiterbetrieb gibt, ob es engagierte Personen vor Ort gibt, die kreative Ideen haben, mit denen zusätzliche Mittel generiert werden können. Insofern kann man sicherlich nicht pauschal sagen, dass jede Gründung funktionieren wird, sondern jeweils der Einzelfall, das Einzugsgebiet und die handelnden Personen separat betrachtet werden müssen.“

Frage 3: Was muss der Eishockeyverband bzw. der DEB tun, um dieses Thema aufzugreifen und Handlungskonzepte anzubieten? Wie kann der DEB hier zielführend unterstützt werden?

Gottwald: „Der Eishockeyverband hat sicherlich ein gesteigertes Interesse daran, das Eishallen am Leben gehalten werden, da nur dort, wo Eissport auch möglich ist, zukünftige Talente die Chance haben, ihren Sport auszuüben und damit die Zukunft des Eishockeys gesichert ist.“
„Ich kenne ehrlich gesagt aber die Strukturen des DEB nicht gut genug, um beurteilen zu können, ob dort alleine schon die Manpower vorhanden ist, um entsprechende Betreiberkonzepte in genossenschaftlicher Rechtsform zu entwickeln, die Initiativen vor Ort an die Hand gegeben werden können. Sofern das der Fall ist, könnte der DEB sicherlich als Impulsgeber und Multiplikator fungieren, der erfolgreiche Beispiele mit Gründungsinteressierten zusammenbringt, gegebenenfalls auch eigenes Know-how in eine Gründung mit einbringt und somit die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen kann.“
„Wir als Genossenschaftsverband sind für den DEB oder auch solche Gründungsvorhaben natürlich immer ansprechbar und werden diese nach Kräften unterstützen. Wir bieten bei jeder Gründung auch immer ein kostenloses Erstgespräch an, in dem über Konzepte, den zeitlichen Rahmen oder Besonderheiten der Genossenschaft gesprochen werden kann.“

i. V. Christoph Gottwald, LL. M., Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V., Beratung und Betreuung Genossenschaften Abteilungsleiter, Verwaltungssitz Düsseldorf
Ludwig-Erhard-Allee 20, 40227 Düsseldorf
Telefon: +49211160914682, Fax: +4925171861299, Mobil: +491721050443
Verwaltungssitz Neu-Isenburg, Wilhelm-Haas-Platz, 63263 Neu-Isenburg
Rechtsanwalt Verbandsprüfer Wirtschaftsmediator (Master of Mediation)

Interview mit Jan Koch, Vorstand und Pressesprecher, Hamm

Frage 1: Seit wann ist das Thema „Schließung von Eishallen“ im Fokus? Warum wird diese Diskussion nicht auf höchster sportlicher Ebene offen geführt bzw. kommuniziert?

Koch: „In Hamm ist das Thema seit 2014 im Fokus. Hier sollte die Halle wegen dauerhaft roter Zahlen geschlossen werden. Neben den roten Zahlen machte sich auch ein Sanierungsstau bemerkbar, der die Entscheidung bekräftigte.

Der deutsche Sportfokus liegt auf dem Fußball, danach kommt lange Zeit erstmal nichts. Zu den großen Turnieren wird in den öffentlich-rechtlichen Anstalten dann auch über andere Sportarten wie Eishockey, Handball, Basketball, etc. berichtet. Daher fehlt diesen Sportarten auch das öffentliche Interesse und die jeweiligen Probleme kommen erst gar nicht auf höchsten Ebenen an.“

Frage 2: Welche Standorte bzw. Eishallen in Deutschland sind aktuell von einer Schließung betroffen bzw. gefährdet? Gibt es hier eine regionale Sichtweise bzw. Begrenzung oder ist die Problematik deutschlandweit zu betrachten?

Koch: „In Nordhorn und Mainz ist es aktuell ein Thema, aber es gibt sicherlich noch mehr Hallen, die gefährdet sind.

Generell ist es ein deutschlandweites Problem, lediglich in Bayern hat der Eissport einen anderen deutlich höheren Stellenwert, daher gibt es deutschlandweit dort auch die meisten Eissportstätten.“

Frage 3: Wieso dient die Sanierung der Eishalle in Hamm als Vorbildfunktion? Wie lief die Rettung von Hamm konkret ab?

Koch: „Mit dem Beschluss der Stadt Hamm die Eishalle schließen zu wollen mussten neue Wege gefunden werden um den Standort zu retten. So haben sich Bürger in einer Initiative zusammengeschlossen und Konzepte entwickelt, die dann der Stadt vorgestellt wurden. Schnell entwickelte sich der Gedanke, dies über eine Genossenschaft zu tun, gemeinsames Handeln und Entscheiden sollten im Fokus stehen. Seit Gründung der Genossenschaft stehen wir auch im engen Austausch mit der Stadt Hamm, welche die Genossenschaft auch finanziell unterstützt.

Ob wir dabei eine Vorbildfunktion einnehmen, müssen andere beurteilen. Wir haben auf jeden Fall gezeigt, dass es möglich ist, gemeinsam mit Bürgern und der Kommune eine Freizeiteinrichtung zu betreiben und Kindern eine Anlaufstelle zu bieten.“

Frage 4: Was sind die wertvollen Erkenntnisse bzw. ‚Lessons Learnt‘ aus dieser Erfolgstory in Hamm? Was zeichnet gerade das Erfolgskonzept von Hamm aus?

Koch: „Wie bereits oben erwähnt ist es elementar wichtig mit der Stadt/Kommune zusammenzuarbeiten. Dies gelingt uns seit Gründung der Genossenschaft und es ist uns auch wichtig zu betonen, dass es ohne die Stadt nicht funktionieren würde.“

Frage 5: Auf welche Weise können auch andere gefährdete Eisstadien vom erfolgreichen Sanierungskonzept in Hamm profitieren? Wie kann das Konzept zielführend übertragen werden?

Koch: „Jeder Standort hat eigene individuelle Gegebenheiten, daher gibt es kein pauschales Erfolgskonzept. Aber prinzipiell können wir natürlich Tipps geben um zu helfen und zu unterstützen.“

Bericht von: Hermann Graßl | Foto: Werner Nimmert

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