Bedenkliche Nachwuchssorgen wegen Zunahme geschlossener Eishallen
Die Redaktion eishockey-online.com möchte auf ein wichtiges Thema aufmerksam machen. Es geht um die Problematik zunehmender Schließungen von Eishallen in der Republik. Dieser traurige Umstand zieht weite Kreise rund um die damit kausal verbundenen Entwicklungspotentiale für den Nachwuchs.
Wir wollen hier mehrere Berichte als kleine Serie publizieren und starten mit einem Artikel zur Gesamtsituation und werden dann Interviews separat platzieren zur Untermauerung dieses Themas.
Sollen tatsächlich Top Talente wie L. Draisaitl, T. Stützle oder M. Seider die letzten ihrer herausragenden Art sein, die aus einer professionellen und nachhaltigen Förderung hervorgehen und den deutschen Eishockeysport in die Weltspitze geführt haben?
Die beiden in den letzten fünf Jahren eingeheimsten Silbermedaillen bei Olympia und der WM waren die Früchte einer professionellen und nachhaltigen langjährigen Nachwuchsarbeit. Dies sollte man tunlichst nicht gefährden!
Es gab 2021 im Zuge der Corona-Pandemie einen dringenden Appell zum notwendigen Neubau und zur Sanierung von Eissporthallen sowie im Jahr 2019 Bundesprogramme zur Sportstätteninfrastruktur in ganz Deutschland. Vorgänger Franz Reindl setzte sich dafür persönlich ein und betonte die Notwendigkeit dieser Maßnahmen. Folgerichtig findet am 24.10.2023 in Köln eine weitere Fachveranstaltung des DEB und dem Eishockeyverband NRW e.V. statt mit dem passenden Titel „Nachhaltige Sportstätten-Infrastruktur im Eissport ist das Thema unserer Zeit! – Eine Chance durch die Eishockey-Weltmeisterschaft 2027 in Deutschland“.
Im Fokus steht die Bedeutung einer umweltbewussten und energieeffizienten Infrastruktur, die den ökologischen Fußabdruck im Eissport minimiert und zugleich höchste Standards für Spieler und Besucher sicherstellt. Relevante Zielgruppen sind Verbände, Vereine, Kommunen und Sportstättenbetreiber mit einem ausgeprägten Interesse einer zukunftsorientierten Planung sowie Instandhaltung von Eishallen. Ein Austausch mit Experten und Praktikern zur Umsetzung nachhaltiger Konzepte ist gewünscht.
Aufschlussreiche Einzelthemen lauten u.a. „Vielfalt von Eissportaktivitäten und ihre gesellschaftliche Relevanz“, „DEL4-Das Nachhaltigkeitskonzept der Penny DEL“. „Energieeffizienz und Luftraumentfeuchtung in Eissporthallen“, „Eisspeichertechnologie als Lösung für Kälte-/Wärmethemen in Eissporthallen“, „Auf dem Weg zur Null-Energie-Eissporthalle“. Als Sahnehäubchen können auch Initiativen von Eissportvereinen zur Sanierung und zum Neubau von Eissporthallen in Deutschland eingebracht werden.
Es gibt indes immer noch ein eklatantes Missverhältnis von Erfolgsstorys versus Schließung von Eishallen. Sofern Letzteres nicht aufgehalten wird, steht wohl fest, dass dem Nachwuchs langfristig die Spiel- und Entwicklungsmöglichkeiten in der Breite fehlen werden mit der Konsequenz, dass in der Spitze auch ein Mangel an künftigen Topspielern zu beklagen sein wird. Demzufolge zählt jede noch so kleine Eishalle, gerade in der Dichte haben die interessierten Kinder die Möglichkeit, ausgebildet zu werden.
Jüngstes und aktuellste Negativbeispiel stellt die Eishalle in Mainz dar, die wohl 2024 vor ihrem Aus steht und damit einhergehend die hervorragende Nachwuchsarbeit, die über viele Jahre geleistet und investiert wurde, Makulatur wird. Die Mainzer Eishalle wurde über viele Jahre auf Verschleiß (mangelhaftes Dach) gefahren. Die Schließung würde auch den Eissport über die Mainzer Stadtgrenzen hinaus besiegeln, zumal die Halle von ca. 70.000 Besuchern genutzt wird und von den Sportvereinen ausgebucht ist. Mehr Wertschätzung für den Hockey- und Hallensport geht nicht! Es wäre ein immenser Imageschaden für die Sportstadt Mainz.
In diesem Kontext ist es erwähnenswert, dass auch der junge, sehr erfolgreiche deutsche Bandy-Sport vor dem Nichts stünde. Die Deutsche Bandy-Nationalmannschaft, die die Mainzer Eishalle als Stützpunkt nutzt und sich auf die internationalen Turniere vorbereitet und erfolgreich daran teilnimmt, steht nun vor der Frage, wie es weitergeht. Über die Jahre haben die Verantwortlichen eine aufstrebende Jugendarbeit aufgebaut. Zukünftig wollte man auch eine Bandy-Frauenmannschaft aufbauen.
Positiv zu vermelden ist, es gibt ein Betreiberkonzept (incl. Unternehmensform und Businessplan) zur Rettung der Halle, das von Uwe und Luis Warnecker, beide wohnhaft in Essenheim, am 20.9.23 gemeinsam konzipiert und der Stadt Mainz (OB und Sportdezernent sowie alle Stadtratsfraktionen) übergeben wurde. Sofern das Gutachten seitens der Stadt Mainz Mitte Oktober positiv ausfällt, besteht berechtigte Hoffnung auf ein Happy End. Am Ende des Tages wird der Brückenschlag zwischen Sportbegeisterung und dem politischen Willen über den Fortbestand der Eishallen ausschlaggebend sein.
Anbei ein Link zum Statement von Günter Beck, Sportdezernent der Stadt Mainz zum Thema: https://www.facebook.com/reel/1303241573638839?s=yWDuG2&fs=e
Weitere traurige beklagenswerte Beispiele sind: Unna: Halle bereits abgerissen, Lippstadt: Halle als Ruine, Nordhorn: Halle marode, Berghorn und Herne in sehr kritischem Zustand. Dem Eistreff Waldbronn (Landkreis Karlsruhe) droht die Schließung bis zum Herbst 2025. Nach einem Gemeinderatsbeschluss sollen Verkaufsgespräche aufgenommen werden. Im September 2024 werde dann über die Vertragsverlängerung zum Betrieb der Eishalle entschieden.
Es besteht aber auch berechtigte Hoffnung, denn es gibt strahlende Vorzeigeprojekte, die zu einer Rettung betroffener Eishallen geführt haben. Bestes Beispiel ist die Eishalle Hamm (NRW), welche 2014 bereits vor dem Aus stand. In diesem Fall nahmen acht Bewohner mit unterschiedlichem beruflichem Hintergrund der Stadt das Heft des Handelns in die Hand und legten ein bemerkenswertes bürgerliches Engagement an den Tag, das Seinesgleichen sucht.
Man rief eine Initiative „Hammer Eis“ ins Leben und man kämpfte wie die Löwen um die Rettung des Stadions. Als grandioses demokratisch generiertes Konzept erwies sich hierbei die Unternehmensform einer eingetragenen Genossenschaft äußerst zielführend. Aus der flugs gegründeten Hammer Eis eG wurde nur ein Jahr nach ihrer Entstehung die Genossenschaft des Jahres geboren.
Letztendlich wurde die Halle dank innovativer und transparenter Ideen sowie Betreibern mit Herzblut perfekt saniert und die Energiekosten wurden sogar um mehr als 50 % reduziert, was einer Senkung von 900.000 kWh auf respektable 400.000 kWh bedeutete. Darüber hinaus wurde eine neue Zamboni angeschafft sowie eine Photovoltaikanlage mit der Größe eines Eishockeyfeldes (60×30 m, ca. 1800 qm Fläche) auf dem Hallendach platziert. Dank einer effektiven Batterietechnik konnten im Vergleich zum letzten Pächter bemerkenswerte 90% Energieaufwand reduziert werden. Chapeau für diese großartige Leistung!
Wasser Rückgewinnung für die Verdichterkühlung (Ersparnis pro Saison: 2 Mio. kostbares Trinkwasser)
Der Eishockey Club, die Hammer Eisbären haben sich folgerichtig in der Oberliga Nord etabliert, was auch DEL-Clubs wie die Iserlohn Roosters oder die Kassel Huskies auf den Plan rief, Hamm als verlässlichen Kooperationspartner zu wählen. Idealerweise würden die Macher von Hamm mit ihren tollen Geschichten rund um die Sanierung ihre wertvolle Expertise jedem betroffenen Club in Deutschland zur Verfügung stellen und ihr erfolgreiches Konzept bereithalten. Hamm demonstriert seine Bereitschaft als Pate und Mentor für gefährdete Eishallen zu agieren.
Eishalle Hamm Hammer Eisbären Team
Aufgrund der Tatsache, dass die Mainzer Eishalle baugleich mit Hamm ist, wäre dies definitiv eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten und die Causa Hamm könnte als idealer Präzedenzfall in die Geschichte eingehen auch dank des herausragenden Engagements von Uwe und Luis Warnecker, die sich für ihre Stadt Mainz so stark machen, um auch diese Halle ans rettende Ufer zu bringen. Dank der guten professionellen Zusammenarbeit mit der Stadt Hamm ist dieses Projekt erfolgreich realisiert worden.
Personen von links nach rechts: Dirk Sowicki (Hallenmanager), Phil Alberti (Vorstand), Werner Nimmert (Aufsichtsrat-Vorsitzender), Tiberius Boda (Aufsichtsrat), Jan Koch (Vorstand, Pressesprecher, Geschäftsführer Eishockey GmbH)
Als weitere Vorbildfunktion dient in diesem Zusammenhang das hessische Lauterbach, dessen Eissporthalle seine Pforten nach vierjähriger Schließung ebenfalls wieder öffnen durfte aufgrund des bemerkenswerten Spendensammlers und Hauptinitiator zur Rettung des Stadions, Manfred Naumann.
Links mit weiterführenden Hintergrundinformationen im Kontext der Eishallenschließung:
Bericht von: Hermann Graßl | Foto: Werner Nimmert, Aufsichtsratvorsitzender Hamm